Mittwoch, 20. August 2014

Kirgistan

Eingebettet zwischen Kasachstan, China, Usbekistan und Tadschikistan liegt das, im Verhältnis zu seinen nördlichen und östlichen Nachbarn, kleine Kirgistan (früher auch Kirgisien oder Kirgisistan genannt). Ein großer Teil des Landes besteht aus Bergen, die an der Grenze zu China eine beachtliche Größe erlangen. Selbst in der Hauptstadt Bischkek lassen sich in weiter Entfernung schneebedeckte Gipfel erkennen - und wahrscheinlich auch angenehmere Temperaturen als in Kirgistans "Metropole". Ein serviceloser Flug mit der Billiglinie Pegasus, die Ankunft um 4:30 Uhr in der Früh und die 5stündige Zeitverschiebung lassen und die ersten beiden Tage im Jetlag herumwanken - selbst der richtig gute Espresso in einem westlichen Expats Café kann da nicht helfen (es sollte für die nächsten Wochen auch der letzte Kaffee sein, den wir bekommen). In Bischkek selbst verpasst man allerdings nicht viel; die russisch angehauchte Stadt hat außer einem großen Markt und monumentalen kommunistischen Bauten wenig zu bieten.
So machen wir uns auf zum Son-Kül, einem kleinen Gebirgssee auf 3000 Meter. In Kirgistan ist übrigens fast jedes Auto ein Taxi - zwischendurch gibt es sogar einige "richtige" Talxler, was aber noch lange nicht bedeutet, dass man als Europäer annähernd das Gleiche bezahlen würde wie ein Kirgise. Unsere mageren Russischkenntnisse helfen hier bedingt weiter.. So geht es mit der Mashrutka - einer Art Gemeinschaftstaxi - nach Koshkor. Dort organisieren wir uns einen Pferdeguide und zwei Pferde und verbringen 4 Tage im Sattel bzw wandernt von Jurte zu Jurte. Pferde- und Schafherden verbringen in der Steppenlandschaft sozusagen ihren Sommer, während die Touristen für die Familien eine zusätzliche Einnahmequelle sind - viel Geld erwirtschaften sie mit der Tierzucht ohnehin nicht. Das Essen ist einfach, aber gut: sehr süße Heidelbeer oder Kirschmarmelade, Porridge, Fladenbrot, Buchweizen, Kartoffelsuppe und Schaffleisch kommt hier hauptsächlich auf den Tisch. Die eigenartig vergorenen Getränke, die entweder nach pürierten Essiggurkerl oder verflüssigtem Räucherkäse schmecken, kosten wir zwar, meiden sie aber fortan.. Reiten in Kirgistan bedeutet übrigens auch, im Schnelldurchlauf alle drei Gangarten zu erlernen, denn nach 10 min auf dem Pferd galoppieren wir auch schon drauf los! Dass man dabei etwas atemlos wird, liegt unter anderem auch an der Seehöhe von über 3.000 Meter!
Nach unseren Reitabenteuern (die Pferde sind übrigens ausgesprochen gutmütig) fuhren wir weiter in den Osten nach Karakol, um für einige Tage in den Bergen zu wandern. Ziemlich schnell stellten wir fest, dass Essen für 5 Tage ein ganz schönes Gewicht hat und minimierten unsere Ausrüstung auf das Mindeste (nur blöd wenn dann das Wetter umschlägt). Zu Beginn noch Sonnenschein, regnete es dann so viel, dass wir am dritten Tag leider abbrechen mussten - und dafür aber die knapp kalkulierte Schokolade auf einmal essen konnten :-) Obwohl wir mein im wahrsten Sinne des Wortes heiß ersehntes Ziel nicht erreicht hatten (am fünften Tagen hätten wir Thermalquellen erreicht), nahmen wir viele Eindrücke, einen knapp 4.000 Meter hohen Pass und eiskalte Flussdurchquerungen mit.
Da wir nun noch etwas Zeit hatten stoppten wir am Weg zurück nach Biskekh am Issyk-Köl, nach dem Titikaka in Bolivien der zweitgrößte Gebirgssee. Das kuriose daran: im Juli und August mutieren viele Orte zu beliebten russischen Sommerdestinationen - wohlgemerkt eher nur für die russische Mittelklasse. Kleidungstechnisch ist hier gerade der Jogginganzug angesagt und zwischen all den Souvenirständen und Quietschenten hat man schon mal das Gefühl am Bademeisterstrand in Caorle oder Jesolo zu sein.. Nachdem wir aber bei einer sehr netten kirgisischen Familie untergebracht waren und dort auch andere Backpacker trafen, verbrachten wir die Zeit mit Tee trinken und Reiseerzählungen. Viele Reisende kommen über die Seidenstraße nach Kirgistan, gar nicht wenige mit dem Fahrrad und einige berichteten auch von Trekingtouren in Afghanistan - wohlbemerkt im nordöstlichen Wakhan Korridor, eine Region, die aufgrund ihrer Abgeschiedenheit vom Krieg verschont blieb. Wie im Flug verging die Zeit in Kirgistan - ein beeindruckendes Land mit freundlichen Menschen, vielseitiger Landschaft, ausreichend Transportmöglichkeit und ueberraschend abwechslungsreichem Essen. Und heute Abend geht es schon weiter in die Mongolei!